Wand, beginnend links vom Eingang
Das Taschenbergpalais war fast ein halbes Jahrhundert Ruine, ehe 1992 der Wiederaufbau begann. Horst Leifer zeigt es noch einmal im vorherigen Zustand: Nur die Außenmauern stehen noch, Dach und Geschossdecken fehlen. Die expressive Malweise des Künstlers lässt diese Aspekte jedoch in den Hintergrund treten, entfernt das dargestellte Gebäude von der reinen Dokumentation seines Erscheinungsbilds und überführt das Motiv in einen Zustand der Zeitlosigkeit.
Hubertus Giebe stellt eine Ansicht aus seinem damals alltäglichen Lebensumfeld in der Äußeren Neustadt dar, denn ganz in der Nähe befand sich in den 1970er Jahren das Atelier des Künstlers. Die Leere des seit den Kriegszerstörungen brachliegenden Eckgrundstücks war ein in diesem Stadtteil charakteristischer Anblick, der durch die Neubebauungen und Lückenschließungen seit 1990 nun immer seltener wird. In den 1970er Jahren zeichnete sich ein neuer Trend in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Dresdner Stadtbild ab (vgl. auch Nr. 30). Zunehmend rückten »vergessene Orte« in den Blick, unspektakuläre Straßenzüge und romantisch verfallende Altbauten. Im Nachhinein erscheint dies wie eine bewusste Abwendung von den gleichzeitig gefeierten sozialistischen Errungenschaften, etwa der neu errichteten Prager Straße.
Der Künstler gibt in seiner Betitelung keinen Aufschluss über den in seinem Gemälde dargestellten Ort innerhalb der Stadt. Zur Entstehungszeit des Werkes wohnte Plenkers nicht in Dresden, sodass die Beschreibung seiner Alltagsum-gebung als Möglichkeit auszuschließen ist. Damit steht die Darstellung summarisch für die stille, gar nicht städtisch wirkende Ruhe eines Wintertags in einem der Viertel mit offener Bebauung außerhalb des Stadtzentrums.
Der Maler Peter Herrmann gehörte seit 1954 dem Kreis um Jürgen Böttcher (Strawalde) an. Dort konnten Autodidakten wie er ungeachtet der eng definierten offiziellen Kunst der DDR frei und mit offenem Blick für die klassische Moderne, insbesondere für die Kunst Picassos, ihren künstlerischen Interessen nachgehen. Den Dresdner Stadtteil Mickten, der den 2. Weltkrieg weitgehend unzerstört überstanden hatte, stellte der Künstler kubistisch verfremdet und ohne Anspruch auf dokumentarische Exaktheit dar. Die bildbeherrschenden Grautöne vermitteln den Eindruck einer düsteren Industrielandschaft. Eindeutig identifizierbar ist lediglich das markante dreischiffige Gebäude des Straßenbahnhofs mit der Uhr an der Giebelfassade.
Eisschollen dominieren das Bild von Siegfried Mackowsky. Dresden-Ansichten nehmen im Werk des Künstlers eine bedeutende Rolle ein, sodass er immer wieder auf der Suche nach originellen Blickwinkeln auf die bekannte Stadtsilhouette gewesen sein muss. Zur Zeit seiner Entstehung war das Gemälde gewissermaßen bereits ein Erinnerungsbild, zeigt es doch einen letzten Blick auf die alte, mittelalterliche Augustusbrücke mit ihren insgesamt 16 Bögen und 17 Pfeilern. Im selben Jahr wurde die Brücke abgebrochen und bis 1910 durch einen Neubau ersetzt.
Paul Wilhelm präsentiert das Dresdner Stadtzentrum aus der Ferne von einem Standpunkt unterhalb der Marienbrücke aus gesehen. Ähnlich wie auch der Maler Bernhard Kretzschmar mit seinem im selben Jahr gemalten Winterbild (in unserer ständigen Ausstellung 1. Etage) hat er sich für sein Gemälde einen Blick ausgesucht, der die Kriegszerstörungen der Stadt nur am Rande sichtbar macht. Diese Haltung der Abwendung vom Chaos der Zeit und der Rückzug auf die Behauptung der Kunst als Refugium des Schönen war in den ersten Jahren nach Ende des 2. Weltkriegs insbesondere in der älteren Generation der Dresdner Künstlerschaft verbreitet.
Richard Mauff zeigt das Elbufer zwischen Carolabrücke und Augustusbrücke mit einem Blick auf die Brühlsche Terrasse und die historische Altstadt, wie er sich dem Betrachter auch heute weitgehend wieder genauso darbietet. Einziger Unterschied sind die im Fluss abgegrenzten Badeanstalten am Neustädter Ufer unterhalb des Finanzministeriums, die mit der Neugestaltung des Königsufers in den 1930er Jahren verschwanden.
Im Juli 1949 war die zum Kriegsende zerstörte Augustusbrücke wiederhergestellt, wurde neu eingeweiht und nach dem kurz zuvor verstorbenen bulgarischen Kommunisten Georgij Dimitroff benannt. Zuvor war die wichtigste innerstädtische Elbquerung schon seit Ende 1945 mit einer provisorischen Behelfsbrücke gesichert worden. Paul Wilhelms Gemälde feiert den frühen Erfolg der Wiederaufbauanstrengungen mit einem Blick von der Brühlschen Terrasse, der die zu diesem Zeitpunkt noch allgegenwärtigen Kriegswunden der Stadt nahezu vergessen lässt.
Wie Paul Wilhelm (Nr. 8) zeigt auch Bernhard Kretzschmar einen Blick auf die erst kurz zuvor wiederaufgebaute Augustusbrücke und an dieser entlang zum Neustädter Elbufer. Das »Blockhaus«, die ehemalige Neustädter Wache aus dem 18. Jahrhundert, liegt fast im Zentrum der Blickrichtung. Durch Kretzschmars lockere Malweise tritt die Tatsache in den Hintergrund, dass auch dieses Gebäude nach dem Krieg nur als leere Hülle erhalten war. Erst 1978 begann der Wiederaufbau. Die Häuser links daneben wurden abgerissen, an dieser Stelle entstand zu Beginn der 1980er Jahre das Hotel Bellevue.
Siegfried Klotz schuf zahlreiche Gemälde mit Darstellungen des Dresdner Stadtzentrums. Damit und auch mit seinem auf Farbe und Texturen konzentrierten bewegten Malstil steht er als der letzte große Porträtist Dresdens in der Tradition von Gotthardt Kuehl und Bernhard Kretzschmar (vgl. Nr. 42 u. Nr. 9). Seit den 1970er Jahren war Klotz als Assistent und Dozent in der Kunsthochschule tätig, im Entstehungsjahr des Gemäldes wurde er zum Professor berufen. Kaum ein Maler war zu seiner Zeit so wie er im Stadtzentrum zuhause. Häufig und zu allen Jahreszeiten malte er den Blick auf die Elbe aus seinem Hochschulatelier oder direkt von der Brühlschen Terrasse aus.
In nächtlicher Dunkelheit treiben Eisschollen auf der Elbe. Geduckt liegen die schneebedeckten Dächer der Häuser auf der Neustädter Flussseite hinter den mächtigen Brückenbögen. Anders als die meisten Darstellungen der Augustusbrücke ist diese nicht von der Höhe der Brühlschen Terrasse gesehen, sondern wohl von deren Treppe oder vom Terrassenufer aus. Rechts der Brücke ist das Narrenhäusel zu sehen, welches nur zwei Jahre später komplett umgebaut worden ist. Hinter dem Blockhaus (vgl. Nr. 9) auf der linken Brückenseite erhebt sich der Turm des Neustädter Rathauses. Die beiden aus dem 18. Jahrhundert stammenden Gebäude wurden 1945 zerstört und nicht wiedererrichtet.
Bildbeherrschend setzte der Künstler einen der beiden verbliebenen Strompfeiler der 1945 gesprengten alten Carolabrücke in Szene. Bekrönt von Markierungen für die Schifffahrt blieb dieses Relikt in der Elbe stehen bis es Ende der 1960er Jahre dem Brückenneubau weichen musste. Berganders Bild ist mehr ein Versuch künstlerischer Verfremdung als der einer dokumentarischen Darstellung. Schnee und Dunkelheit schaffen Farbkontraste, die summarische Malweise lässt flussabwärts eben noch die Augustusbrücke und das Dach des Japanischen Palais erkennen. Der Künstler war seit 1951 Professor an der Dresdner Kunsthochschule und hatte die Reste der Carolabrücke von da aus täglich vor Augen.
Heinz Draches Bild zeigt die Reste der kriegszerstörten Carolabrücke und im Hintergrund flussaufwärts die Albertbrücke. Die 1895 eingeweihte Carolabrücke war in den letzten Kriegstagen 1945 von Soldaten der Waffen-SS an insgesamt vier Stellen gesprengt worden. Wegen der erheblichen Beschädigung entschied man sich gegen einen Wiederaufbau. Im Frühjahr 1952 wurde auch der hier im Bild noch sichtbare Bogen gesprengt. Nur die beiden Strompfeiler blieben bis zum Brückenneubau stehen. Draches fast impressionistische Malweise spart alle Details aus und gibt einen Eindruck von der Situation eines trüben Wintertages, der die Erinnerungen an die Zerstörung der Stadt in ein mildes Licht taucht. Draches wohl bekannteste Arbeit ist sein Mitwirken an dem Fries »Unser sozialistisches Leben«, der noch heute im Obergeschoss-Foyer des Kulturpalastes zu sehen ist.
Der nach dem ersten sächsischen Ministerpräsidenten der Nachkriegszeit »Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke« benannte Brückenneubau entstand 1969 bis 1971 und ersetzte die 1945 gesprengte und dann in mehreren Etappen abgetragene alte Carolabrücke. Der Maler Hermann Kohlmann gehörte in den ersten beiden Jahrzehnten nach Kriegsende zu den fleißigsten künstlerischen Dokumentaristen des Wiederaufbaus in Dresden. Viele seiner Bilder wurden von offiziellen Stellen und musealen Sammlungen erworben, doch er arbeitete selten im Auftrag. Malerisch geschult an der Dresdner Kunstakademie der frühen 1930er Jahre als Schüler des Spätimpressionisten Max Feldbauer war er versiert in der Landschaftsdarstellung und brachte eine Erinnerung an die qualitätvolle Dresdner Vorkriegsmalerei bis in die 1970er Jahre. Offenbar wurde er damit auch den Anforderungen der Doktrin des sozialistischen Realismus gerecht.
Paul Michaelis stellt uns den Blick aus seinem Atelier im Gebäude der Kunstakademie an der Brühlschen Terrasse vor, wo er als Professor an der Hochschule für Bildende Künste tätig war. Flussaufwärts sind rechts die Reste der zerstörten Carolabrücke und dahinter die Albertbrücke zu sehen. Die mobilen Anlegestellen der Dampfschiffe sind über den Winter demontiert. Schnee bedeckt die Uferzonen des Flusses, die Gebäude am Neustädter Ufer und die Passanten erscheinen nur als schemenhafte Silhouetten. Die Farbpalette mit kühlen Grün- und Blautönen lässt die nächtliche Kälte spürbar werden.
Der Standpunkt des Malers befand sich etwa am Wettiner Platz in der Nähe des dortigen Kraftwerks, möglicherweise auf dem Dach der beschädigten und später abgerissenen Jacobikirche. Wir sehen einen Blick aus westlicher Richtung zum Stadtzentrum. Die Schweriner Straße links im Bild ist bereits freigeräumt, doch die Trümmer kriegszerstörter Häuser bestimmen das Bild. Bis auf wenige Menschen erscheint die Stadt wie erstarrt in hartem Sonnenlicht unter einem grauen Himmel. Seltsam herausgehoben wirkt die Darstellung mehrerer Schornsteine im Vordergrund, die an Säulenstümpfe erinnern. Sie suggerieren einen Vergleich der gesamten Darstellung mit antiken Ruinen und heben die kaum zwei Jahre zurückliegende Zerstörung der Stadt aus der Sicht des Künstlers in eine größere historische Dimension. Kröner hatte seine Ausbildung an der Dresdner Kunstakademie u. a. bei Gotthardt Kuehl erhalten und sich anschließend auf Landschaftsmalerei spezialisiert. Er gehört zu den Künstlern, welche die Tradition der farbsensiblen schönen Malerei des frühen 20. Jahrhunderts in die Zeit der DDR überlieferten.
Nach dem Vorbild der Berliner Stalinallee sollten die zerstörten Stadtzentren in der DDR mit repräsentativen Wohnbauten wiederaufgebaut werden. Bis Mitte der 1950er Jahre favorisierte man dabei einen teils historisierenden Baustil, der auch regionale Besonderheiten widerspiegeln sollte. Historisch gewachsenen Straßenstrukturen wurden dabei keine Beachtung geschenkt. Kurt Schusters Blick vom Rathausturm dokumentiert auf nüchterne Weise und in gedeckten Farben den damaligen Stand: Die Gebäude am flächenmäßig vergrößerten Altmarkt und an der zu einer Magistrale aufgeweiteten Wilsdruffer Straße (damals: Thälmannstraße) sind fast komplett. Nur an der Kreuzstraße wird noch gebaut und der Kulturpalast fehlt noch.
Hermann Kohlmanns Bild entstand noch unter der unmittelbaren Schockwirkung der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945. Nur wenige Künstler reagierten so schnell und unmittelbar auf das Chaos in der zerstörten Stadt. Am intensivsten setzte sich wohl Wilhelm Rudolph künstlerisch damit auseinander, der schon vor Kriegsende begonnen hatte, in den Trümmern zu zeichnen. Kohlmanns Bild zeigt einen Blick ganz ähnlich der berühmten Ansicht vom sogenannten Malerwinkel auf der Brühlschen Terrasse oberhalb der Münzgasse. Doch er begab sich hinunter in die Gasse auf Augenhöhe mit den die Straße versperrenden Trümmern. Die Ruine der Frauenkirche ist hinter den Hausruinen im Vordergrund nur noch angedeutet. (vgl. auch Nrn. 14. u. 51).
Hans Mroczinski gehörte zur ersten Studentengeneration an der 1947 wiedereröffneten Kunstakademie. Vor Studienbeginn hatte er sich fast ein Jahr lang an der Instandsetzung des Akademiegebäudes beteiligt. Als Soldat, der Stalingrad überlebt hatte, war er mit dem Anblick zerstörter Städte vertraut. In den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten schuf er zahlreiche Gemälde und Studien mit Motiven aus der Dresdner Innenstadt, von Zerstörung und Wiederaufbau. Vierzehn solcher Werke sind Bestandteil unserer Gemäldesammlung.
Der Wiederaufbau des Dresdner Zwingers begann schon im Jahr 1945 und war erst 1963 beendet. Karl Kröner zeigt in seinem Bild bereits einen Zustand erster Erfolge. Angesichts der Tatsache, dass in der zerstörten Stadt dringend Wohnraum gebraucht wurde, ist das frühe Engagement für die Wiederherstellung eines kulturellen Bauwerks bemerkenswert. Der Zwinger war ein Symbol und wurde als solches behandelt. Andere Bauten der Kulturgeschichte, wie beispielsweise die mittelalterliche Sophienkirche, deren Türme hier im Hintergrund zu sehen sind, mussten der Neugestaltung der Stadt weichen. Der Kirchenbau wurde trotz Protesten 1962/63 abgerissen.
Alfred Hesse stellt die erste Phase des Wiederaufbaus dar: Die Beräumung der Trümmer. Viele Dresdner beteiligten sich in freiwilligen Einsätzen an diesen mühsamen Arbeiten. Ende der 1940er Jahre bestimmten Stapel wiederzuver-wendender Steine und die Schienen von Trümmerbahnen das Bild der Innenstadt. Aber der Maler zeigt nicht die Dynamik des Wiederaufbaus sondern integriert die Bautätigkeiten in die Komposition einer klassischen Stadtansicht. Die Hofkirche und das beschädigte Johanneum bilden die Hauptmotive seiner Darstellung. Die Fläche links im Bild blieb nach der Beräumung der Ruinen noch bis Anfang des 21. Jahrhunderts unbebaut (vgl. Nr. 17).
Die Malerin Eva Schulze-Knabe, ehemals Schülerin u. a. von Otto Dix, war vor allem als Gestalterin des Menschenbilds bekannt, Bilder des Dresdner Wieder-aufbaus sind in ihrem Werk weniger zahlreich. Ihr malerischer Blick entlang der heutigen Wilsdruffer Straße nach Westen zeigt die in den 1950er Jahren drastisch verbreiterte Ost-West-Magistrale, deren Bebauung erst nach und nach bis Ende der 1960er Jahre erfolgte. Gerüste an Gebäuden, Baugruben und Wiesenflächen zeigen alle Stadien des Baugeschehens, welches jedoch parallel zum Alltagsleben mit Straßenbahnen, Passanten und Autos eher im Hintergrund bleibt. Im Zentrum des Bildes steht dunkel die Ruine der Sophienkirche, um deren Erhalt damals noch gerungen wurde. 1962/63 erfolgte der Abriss trotz zahlreicher Proteste. Seit 2020 erinnert eine Gedenkstätte am Ort an den Verlust dieses Monuments der Dresdner Kulturgeschichte.
Siegfried Donndorf zeigt den Beginn des Wiederaufbaus in Dresden. Vor einem imaginären Feldherrenhügel (womöglich vom Rathaus aus gesehen) breitet der Künstler den leergeräumten südöstlichen Teil der Innenstadt und bis zum südli-chen Elbhang vor uns aus. Die Ruinen sind weitestgehend abgetragen, Ziegelstapel und Baubaracken bestimmen das Bild. Noch gliedern vor allem Trampelpfade die sich mit Grün überziehende große Brachlandschaft. Neu angelegte Blumenbeete, junge Bäume und auf Parkbänken sitzende Menschen im Vordergrund zeugen von der Friedlichkeit der Szene. Die Zeichen stehen auf Aufbruch.
Die Schäferstraße führt als Ausfallstraße von der Altstadt nach Westen durch den Stadtteil Friedrichstadt. Unweit davon, an der Berliner Straße, fand sich 1905 die Künstlergruppe »Brücke« zusammen und direkt in der Nachbarschaft der ehemaligen »Brücke«-Ateliers befindet sich auch der Arbeitsraum von Dyrck Bondzin. Der Künstler zeigt »sein Viertel«, das durch die Nähe von Industrie und großen Bahnanlagen nicht zu den schönsten Gegenden Dresdens gehört, bei Nacht. Zwar in einer gewissen Tristesse, aber auch in einem gleichsam barmherzigen, wohlwollenden Licht – mit nur wenigen erleuchteten Fenstern und schattenhaften Passanten, einsam und frei von Autos, sodass eine streunende Katze auf den Straßenbahngleisen keinerlei Eile anzumerken ist.
Rainer Zilles malerische Phantasie wurde oft durch Elemente des öffentlichen Raumes in Gang gesetzt. Aus einer Leitung zur Baustellenentwässerung wird für ihn eine Art durch das Bild laufende Schlange mit erhobenem Haupt und Beinen. Die Stadt – hier im Hintergrund die Industriebauten im Gelände des heutigen Kulturkraftwerks – ist für den Künstler nur Hintergrund. Zilles Malerei steht stellvertretend für die in den 1980er Jahren immer individueller werdenden künstlerischen Positionen. Motive klassischer Veduten und die offiziell gewünschten Darstellungen von Fortschritten in Bau und gesellschaftlicher Entwicklung interessierten nur noch wenige Maler. Stattdessen wurde die Stadtumgebung in unterschiedlichsten poetischen Verfremdungen zum Bildmotiv.
Michael Freudenbergs Elbansicht zeigt ein tatsächlich häufig zu beobachtendes Manöver: Wenn einer der größeren Elbdampfer zum Wenden ansetzt, sieht es besonders bei niedrigem Wasserstand im Fluss oft so aus, als ob die Elbe dafür gar nicht breit genug wäre. Der Künstler deutet sowohl die Details des Schiffes als auch die Binnenformen der Brücke und der Gebäude am Ufer nur an. Himmel und Wasser wirken bleiern, die gesamte Szene ist in teils grünlichen Beige- und Brauntönen gehalten. Der Maler hatte just im Entstehungsjahr des Bildes als Autodidakt seine freischaffende künstlerische Tätigkeit begonnen. Wenig später gehörte er zum Dresdner Kreis von A. R. Penck. Mutmaßlich ist mit dem Thema des Bildes weniger die Beschreibung von Freudenbergs Heimatstadt, als die Metapher des »sich Querstellens« gemeint, die mehr oder weniger auch politisch zu verstehen sein kann.
Ähnlich wie Karl Kröner (vgl. Nr. 16) porträtierte auch Ernst Hassebrauk die Ruinen des zerstörten Dresdens auf eine symbolisch deutende Art und Weise und umschiffte elegant die damaligen offiziellen Forderungen nach Zukunftsoptimismus und künstlerischer Stellungnahme. Hinter den monumentalen Trümmern der gesprengten Carolabrücke zeigt er die Silhouette der historischen Bauten der Altstadt – so weit entfernt, dass die Kriegsbeschädigungen nicht erkennbar sind. Ein Touristendampfer der Weißen Flotte mit rauchendem Schornstein unterstreicht den Eindruck alltäglichen urbanen Lebens. Das monumentale Bildformat und die Betitelung weisen zudem die Richtung: Es geht um die Behauptung einer Wiederauferstehung des Glanzes der Stadt. Für den Künstler, der in seinen Bildern immer wieder barocke Kunstschätze darstellte, lag dieser Glanz vor allem in den kulturellen Werken der Vergangenheit.
Mit kühnem Schwung und in leuchtendem Farbensturm löst der Künstler ein prägnantes Gebäude aus dem Stadtzusammenhang heraus. Zwar erkennt man die einprägsame Form des nach dem Krieg nicht wieder aufgebauten Turmstumpfes der Annenkirche, doch die von Details entblößte und farbig zurückgedrängte Umgebung – tatsächlich belanglose Wohnbauten der 1960er Jahre – macht deutlich, dass es hier nicht um eine topografisch exakte Stadtansicht geht, sondern um ein temperamentvolles künstlerisches Statement, bei dem der Bildgegenstand sich dem expressiven Ausdruckswillen unterordnen muss.
Hans Körnigs Bild der Hauptstaße in der Inneren Neustadt strotzt vor Respektlosigkeiten. Den offiziellen optimistischen Aufbaubildern seiner Zeit setzte der Künstler eine surreale Nachtszene entgegen. Aus schwarzen Fensterhöhlen schauen die Häuser auf die tot und menschenleer daliegende Straße. Die nach dem Krieg erhalten gebliebenen historischen Monumente – Der Goldene Reiter und einer der beiden Nymphenbrunnen – begrenzen links und rechts den leeren Vordergrund, können jedoch den Eindruck der Verlorenheit nicht abwenden. Von einem Fahnenmast des 19. Jahrhunderts weht überdimensional die Staatsflagge – jedoch ohne das DDR-Emblem von Hammer und Sichel im Ährenkranz, was damals eine unvorstellbare Provokation bedeutete. Auf einer fast motivgleichen Aquatintaradierung Körnigs gerieten Hammer und Sichel unter die Hufe des Goldenen Reiters, was zum Ausschluss des Künstlers aus dem Verband bildender Künstler führte. Mangels anderer Möglichkeiten veranstaltete Körnig private Ausstellungen in seinem Atelier und dem angrenzenden Dachboden unweit des hier dargestellten Straßenzuges. Damit wurde er zu einer Ikone der frühen nonkonformen Kunst in der DDR.
Der Maler gibt nicht genau preis, wo er sein Bildmotiv gefunden hat. Doch vielleicht ist das bewusst nicht gewollt, denn er zeigt eine in den 1970er und 1980er Jahren nicht nur in Dresden sondern an vielen Orten der DDR zu beobachtende Entwicklung: Nicht mehr Kriegsruinen müssen für den industriellen Wohnungsbau weichen, sondern zunehmend auch alte, vernachlässigte Häuser in und um die Stadtzentren, so etwa in der Dresdner Inneren Neustadt beim Bau der Straße der Befreiung (heute: Hauptstraße).
Erst Mitte der 1980er Jahre begann der Wiederaufbau des Dresdner Residenzschlosses. Christoph Wetzels Bild, gesehen von der Galerie des Zwingers, zeigt noch die seit Ende der 1940er Jahre fast unveränderte Ruine. Die Taube im Vordergrund und auch die Betitelung mit Jahreszahl macht das Gemälde zu einem nicht nur malerisch exakten Zeitzeugnis mit der Verheißung (oder der Frage nach) einer Wiederherstellung des Kulturdenkmals. Als das Bild für die städtische Kunstsammlung angekauft wurde, konnte es als Darstellung der Hoffnung und Aufgabenstellung zugleich angesehen werden, denn anlässlich der Wiedereröffnung der Semperoper 1985 hatte DDR-Staatschef Erich Honecker den Wiederaufbau des Schlosses in Aussicht gestellt. Aus künstlerischer Sicht ging Wetzel über das in Dresden so prominente Genre der Wiederaufbaubilder mit ihrer Feier der Erfolge und ihrem gemalten Zukunftsoptimismus hinaus. Selbstbewusst und mit fast heraufordernd unterkühlter Neutralität der präzise realistischen Malerei setzte er seine individuelle Sicht in Szene.
Vom Neustädter Elbufer aus zeigt der Künstler das architektonische Wahrzeichen Dresdens – die Frauenkirche – in ihrer historischen Umgebung: Hinter den belebten Schiffsanlegestellen am Terrassenufer öffnet sich der Durchgang in den ehemaligen Festungswerken zur dicht bebauten Münzgasse. Rauch steigt aus vielen Schornsteinen auf. Darüber erhebt sich groß und wuchtig die Kirchenkuppel, flankiert von Rathausturm und Kunstakademie. Bis in die 1940er Jahre entstanden zahlreiche solcher gemalten Stadtansichten, die in prunk-vollen Rahmen als selbstbewusstes Statement in den Wohnungen wohlhaben-der Dresdner von deren Stolz auf ihre Stadt zeugten. Nach der Zerstörung Dresdens 1945 wurden Darstellungen des verlorenen Stadtbilds umso kostbarer. Wie dieses Gemälde wurden in den 1950er und 1960er Jahren nicht wenige Kunstwerke mit historischen Stadtansichten aus Privatbesitz für die Museumssammlung angekauft.
Die Salzgasse befand sich hinter dem Coselpalais und führte direkt zum Neumarkt. Schon auf Postkarten um 1900 wurde das Areal mit seinen malerischen Häusern als »Alt-Dresden« beschrieben. Für die Studenten der unweit gelegenen Kunstakademie war es ein wohlfeiles Motiv, so auch für den Leipziger Richard Miller, der das Bild wohl noch während seiner Studienzeit schuf. Von der gemalten Ansicht ist heute nichts mehr erhalten, nur die Gasse selbst wurde im Zuge der Neubebauung um den Neumarkt als Straßenzug wiederhergestellt.
Siegfried Mackowsky gehörte zu den fleißigsten malerischen Chronisten Dresdens im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Während die meisten Maler, wie etwa Gotthardt Kuehl oder Fritz Beckert (vgl. Nr. 42 u. 44), dabei mit lockeren Reminiszenzen an den Impressionismus etwas Modernität zum Ausdruck brachten, zeichnen sich Mackowskys Stadtdarstellungen durch Präzision und Nüchternheit aus. Er schuf Darstellungen des Ausblicks von mehreren innerstädtischen Türmen. Hier sehen wir den Blick von der Kuppel der Frauenkirche westwärts entlang der Töpferstaße zum Residenzschloss. Bemerkenswert ist daran nicht nur die Akkuratesse der Malerei sondern auch das eng verschachtelte Gewirr der teils bis auf das Mittelalter zurückgehenden Bauten in diesem, dem Schloss als Stadtmittelpunkt am nächsten gelegenen Viertel.
Albert Schumanns ungewöhnliche Stadtansicht ist das älteste Bild unserer Ausstellung. Die Baumreihen an der Uferpromenade sind noch klein und erinnern daran, dass der Standpunkt des Malers, die hier nur mit ihrem süd-westlichen Treppenabgang gezeigte Albertbrücke, damals gerade einmal 23 Jahre alt gewesen ist. Am linken Rand erkennt man die prunkvollen Wohnbauten des Terrassenufers während das eigentliche Flussufer von der Betrieb-samkeit des anhaltenden Wachstums der Stadt zeugt. Lastkähne werden entladen und Baumaterialien werden aufgeschichtet. Das Neustädter Ufer ist von Badeanstalten gesäumt, über denen sich noch das Gebäude der Vereinigten Eschebachschen Werke erhebt – dort, wo wenig später bis 1904 das Königliche Gesamtministerium, heute Sitz der Sächsischen Staatskanzlei, errichtet worden ist (vgl. Nr. 42). Dahinter, ganz rechts am Bildrand, ist der Bau der Dreikönig-schule zu sehen, welcher 1945 auch ein Opfer der Kriegszerstörungen wurde.
Die »Großsiedlung Trachau« ist das bedeutendste Beispiel des Neuen Bauens in Dresden. Mehrere Architekten planten Ende der 1920er Jahre an dem Projekt der Genossenschaft GEWOBAG mit. Georg Griebel zeigt einen Fensterblick auf die von dem Architekten Hans Waloschek geplanten Bauten, zu deren Wohnungen teils kleine Gartenparzellen im Innenhof gehörten.
Viele der Häuser der Inneren Neustadt stammen noch aus dem 18. Jahrhundert. In der Zeit der DDR verfiel die Bausubstanz zusehends. Schon in den 1970er Jahren erfolgten teilweise Abrisse, um Platz für die Neubauten der Straße der Befreiung (heute: Hauptstraße) zu schaffen.
Das Atelier von Georg Griebel befand sich in der sechsten Etage des 1930 von Stadtbaurat Paul Wolf errichteten Eckhauses Spener- Ecke Wormserstraße in Striesen. Von dort hatte der Künstler einen weiten Blick bis auf die Elbhänge und zum Stadtzentrum, den er in mehreren Gemälden festhielt. Im Vordergrund ist die Hofseite von Häusern der Merseburger- und Wormser Straße zu sehen.
Ernst Günther Neumann studierte u. a. bei Wilhelm Lachnit an der Dresdner Kunsthochschule und arbeitete seit 1952 freischaffend. Sein Blick geht hier von der Dresdner Neustadt zum Gerichtsgebäude am Sachsenplatz. Auf der Hoyerswerdaer Straße fährt die Straßenbahn in Richtung Albertbrücke. Der rote Klinkerbau am linken Bildrand wurde als Königliche Intendantur erbaut, später als Finanzamt genutzt und dient heute der Zollverwaltung.
Der Maler Horst Weber hatte das Glück, in den 1960er Jahren eine Neubau-Atelierwohnung in der obersten Etage des zwölfgeschossigen Hochhauses an der Josephinenstraße (damals: Kurt-Schlosser-Straße) zu erhalten. Von dort aus hatte er einen spektakulären Rundblick über die Stadt, den er vor allem in den ersten Jahren häufig malte. Die Aussicht hier geht nach Norden – links ist der beschädigte Turm der Annenkirche zu sehen, recht die Türme von Schloss und Hofkirche.
Ernst Fechters Bild zeigt die Südseite einer 1958 im Stadtteil Striesen fertiggestellten Einkaufsstraße. Beim Aufbau nach Plänen des Architekten Wolfgang Hänsch wurde noch Ziegelschutt aus den Trümmern verwendet, aber erstmals auch die Plattenbauweise getestet. Für die Dresdner Bevölkerung war dieses Stadtteilzentrum nicht nur willkommener Einkaufsort, sondern auch zukunftsweisendes Monument von Modernität und Fortschritt. Dass Fechter die Szene im Jahr des Mauerbaus gemalt hat, bringt noch einen über das rein Dokumentarische hinausgehenden Aspekt ins Bild: Fechter feiert nicht nur jüngste Errungenschaften, er zeigt ein Wunschbild, eine optimistische heile Welt mit glücklichen Menschen im Sonnenschein, wie man sie von offizieller Seite gern sehen wollte.
Gotthardt Kuehl gilt als der Ahnherr der Dresdner Malschule. Geschult in München und Paris, brachte er bei seiner Berufung zum Professor der Kunst-akademie den Impressionismus nach Dresden. Als Künstler mit internationalem Ruf wurde er gern für offizielle Aufträge in Anspruch genommen, so etwa für die Ausstattung des Neuen Dresdner Rathauses (um 1910/11) oder wie hier für die Internationale Städteausstellung 1903 in Dresden. Im Auftrag der Stadt schuf der Maler zwei Darstellungen des Stadtbilds oberhalb und unterhalb der Augustusbrücke. Das Gemälde dokumentiert nicht allein die schöne Lage Dresdens mit seinen historischen Bauten und einen Blick bis zum Windberg nach Freital. Es zeigt auch selbstbewusst die damals aktuelle Entwicklung der Stadt: Den rechten Bildrand begrenzt ein großes Gerüst am gerade im Bau befindlichen Gebäude des Königlichen Gesamtministeriums (der heutigen Staatskanzlei - vgl. Nr. 35). Das große Bildformat begünstigt die Darstellung des bunten Gewimmels von Menschen und Fahrzeugen auf der damals neuesten Elbquerung – der 1895 eingeweihten Carolabrücke.
Margarethe Macholz kommt es nicht auf dokumentarische Aspekte an: Sie zeigt mit expressiver Lockerheit ein Bild vom sommerlichen Straßenleben, wie es auch anderswo stattfinden könnte. Der Amalienplatz (heute: Rathenauplatz, vgl. Nr. 48) ist frei von Autos und Straßenbahnen dargestellt, wie um etwas Zeitlosigkeit in diese Momentaufnahme hineinzubringen.
Fritz Beckerts Bild ist ein Kuriosum vor dem Hintergrund gleichzeitig entstandener Bilder vom erfolgreichen Wiederaufbau der Stadt aber gleichwohl ein Belegstück für den nach 1945 immer weiter ansteigenden Stellenwert der Erinnerung an das »alte Dresden« in der Dresdner Bevölkerung. Beckert lehrte seit 1908 Architekturmalerei an der Dresdner Technischen Hochschule. Für das Bildmotiv konnte er auf seine zahlreichen Stadtdarstellungen zurückgreifen, mit denen er sich schon seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg kontinuierlich und intensiv auseinandergesetzt hat.
Der Maler bildete hier ein Geschehen ab, welches um die Jahrhundertwende schon Gegenstand mehrerer Ansichtspostkarten gewesen ist. Rund um das Germania-Denkmal, welches in der Mitte des Platzes an den Krieg von 1870/71 erinnern sollte, sind mobile Stände von Blumenhändlerinnen aufgebaut. Dazwischen flanieren gut gekleidete Damen. Die Szene erscheint fast biedermeierlich. Wären nicht bekannte Dresdner Bauten zu sehen, wie etwa links am Bildrand das Gebäude des ehemaligen Altstädter Rathauses aus dem 18. Jahrhundert, man könnte sich in eine Kleinstadt versetzt fühlen. Nicht wenige solcher Darstellungen überkommener Genreszenen und bald darauf abgetragener Bauten beweisen, dass schon die Modernisierung der Stadt um 1900 und der Bau-Boom der letzten Jahre vor dem Ersten Weltkrieg von vielen Dresdnern mit Nostalgie und einer gewissen Wehmut betrachtet wurden. Etwa zur Entstehungszeit des Gemäldes wurde das Neue Dresdner Rathaus an der Ringstraße (vgl. Nr. 44) in Dienst genommen und das alte Gebäude am Altmarkt zum Sitz der Dresdner Straßenbahnverwaltung umgewidmet. Das Haus der Löwenapotheke rechts daneben sollte schon wenig später, 1913/14 einem Neubau weichen.
Straßenbahnen, Kutschen, Autos, Passanten und Polizisten – der Künstler führt den Pirnaischen Platz als einen großstädtischen Verkehrsknotenpunkt vor – auch wenn der Platz selbst damals wesentlich kleiner gewesen ist als heute. Auch wenn einer der markanten Ecktürme des Polizeipräsidiums zu sehen ist, die Sicht auf das Landhaus wird noch durch eine Reihe davorstehender Gebäude versperrt. Auch die historische König-Johann-Straße, an deren Anfang sich hier zwei Straßenbahnen begegnen, ist noch wesentlich schmaler als die nach 1945 neu angelegte heutige Wilsdruffer Straße.
Die kleine Ölskizze der Situation um den Goldenen Reiter gehört zu den letzten Gemälden, welche das Dresdner Stadtbild vor der Zerstörung von 1945 be-schreiben. Auch wenn der Künstler mehr Wert auf die Wiedergabe der Atmosphäre des trüben Wintertags gelegt hat als auf die Details der Architektur, vermittelt das Bild doch einen guten Eindruck von den Dimensionen des Neustädter Marktes, die bei dessen Wiederaufbau nicht wiederhergestellt worden sind.
Fritz Stotz war an der Kunstakademie Schüler von Gotthardt Kuehl und Carl Bantzer und folgte seinen Lehrern im Sinne einer Freilichtmalerei mit impressio-nistisch lockerem Pinselstrich. Mit souveräner Geste erfasste er auf kleinem Format die Atmosphäre einer großstädtischen Platzsituation mit Straßenbahnen und zahlreichen Passanten, die sich auf dem wohl regennassen Straßenbelag spiegeln. Von welchem Standpunkt aus er in die Straßenflucht hineinblickte, ist nicht genau festzumachen. Möglicherweise handelt es sich um einen Blick vom Amalienplatz (heute: Rathenauplatz, vgl. Nr. 43) stadtauswärts.
Das chronologisch gesehen letzte Gemälde mit einer Straßensituation vor der Zerstörung 1945 zeigt einen Blick vom Postplatz entlang der Wilsdruffer Straße in Richtung Altmarkt. Auf der rechten Seite ist das Kaufhaus Knoop zu sehen, dessen Ruine nach 1945 als einziges Gebäude der Straße in den Wiederaufbau einbezogen worden ist. Dahinter springen die Arkaden des Neubaus der Löwenapotheke (vgl. Nr. 45) in der Straßenflucht nach vorn, bevor sich die Straße zum Altmarkt öffnet. Im dort einfallenden Sonnenlicht treffen sich zwei Straßenbahnwagen. Kühl zeigt die Fahnenstangen an den Gebäuden leer, an denen auf vielen Fotos dieser Zeit Hakenkreuzflaggen hingen. Sein Augenmerk galt dem quirligen Straßenleben in dem – als einziger Hinweis auf die Kriegszeit – neben den sommerlich gekleideten Frauen und Kindern die Männer fehlen.
Pfeiler
Alice Sommer benennt im Titel ihrer Ölskizze keine bestimmte Elbbrücke, doch ist anhand der Gebäude dahinter erkennbar, dass es sich um einen Blick vom Altstädter Elbufer auf die Augustusbrücke und das Neustädter Ufer handelt. Ganz rechts angeschnitten ist das Blockhaus (vgl. Nr. 9) zu sehen, das Gitter im Vordergrund ist das Geländer der Brühlschen Terrasse. In der Entstehungszeit des Werkes studierte die Künstlerin an der Kunstakademie bei dem Maler Max Feldbauer. Dessen breiter, formauflösender Pinselstrich fand auch in Sommers Malerei einen sichtbaren Widerhall.
Die erhaltenen hohen Gebäude waren Ausblick für einige Künstler, die eine Art Bestandsaufnahme der umfassenden Zerstörungen des Krieges im Sinn hatten. Trümmer, soweit das Auge reicht – so könnte man den Eindruck dieser Art von Stadtbildern, vornehmlich aus dem ersten Nachkriegsjahrzehnt, zusammenfassen (vgl. auch Nrn. 6, 9, 16, 23 und 39).
Die um 1840 von Gottfried Semper erbaute Dresdner Synagoge befand sich am Hasenberg, ungefähr an der gleichen Stelle wie heute die 2001 eröffnete Neue Synagoge. Sie wurde beim Novemberpogrom 1938 zerstört. Albert Wigand hat sich zeichnend sehr genau mit zahlreichen Motiven aus dem Dresdner Stadtbild auseinandergesetzt. Malerisch gestaltete er hingegen freier und expressiver.
Rudolf Reimer war Uhrmachermeister. Die Malerei ist für ihn ein Hobby gewesen, welchem er sehr intensiv nachging. Sein übergreifendes Thema war das Alltagsleben, sodass seine Bilder heute vor allem als subjektive Illustrationen zum Leben in der DDR von Bedeutung sind. Mit der in seinem Beruf unabdingbaren Akribie stellt er hier den Platz vor dem damaligen Jugendklub »Scheune« mit Blick in Richtung Albertplatz dar. Rechts in der Katharinenstraße parkt ein LKW der Sowjetischen Streitkräfte – da sich nördlich vom Alaunpark damals sowjetische Militäreinrichtungen befanden, war dies ein durchaus geläufiges Detail im Straßenbild.
Vitrinen
Der Maler Jewgenij T. Subechin kam im Mai 1945 mit der Roten Armee nach Dresden und schuf die zwei Gemälde im Sommer des Jahres wohl direkt vor den dargestellten Ansichten. Bei beiden Motiven wird ihn der Kontrast zwischen den Ruinen im Vordergrund und den weitgehend unbeschädigt aussehenden Gebäuden dahinter interessiert haben. Im Gegensatz zu vielen düster und resigniert wirkenden Darstellungen deutscher Künstler aus der Zeit unmittelbar nach Kriegsende, wie etwa von Wilhelm Rudolph, lässt sich damit zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer auf eine Chance der Wiederauferstehung der zerstörten Stadt erahnen. Subechin starb 1986 und hatte den Wunsch, dass die Bilder zurück nach Deutschland gelangen. Dieses Vermächtnis wurde nach dem Tod seines Sohnes 1996 von seiner Schwiegertochter eingelöst.